Taz, 27.02.2010
Von unentrinnbaren Situationen
FÖRDERPREIS - Elianna Renner ist die 33. Preisträgerin des Bremer Förderpreises
für Bildende Kunst. Ihre Arbeit "22.1.08" erzählt eine Geschichte, die Geschichte
erzählt
Interview Andreas Schnell
taz: Wir gratulieren: Sie haben gerade den Förderpreis gewonnen - für eine Audio-
Installation, die viel mit Ihrer Biografie zu tun hat.
Elianna Renner: Ich finde das schwierig. Ich komme aus einer jüdischen Familie und arbeite
auch viel mit dem Thema Judentum. Andererseits frage ich mich immer: Wie wichtig ist es
überhaupt, das zu sagen.
In der Arbeit, die ausgezeichnet wurde, unterhalten sich zwei Menschen - ein
Palästinenser und eine Jüdin, die zusammen im Auto sitzen. Der Palästinenser entpuppt
sich als Antisemit.
Es geht für mich vielmehr darum, dass sich zwei Menschen in einer Situation wiederfinden,
der sie nicht einfach entgehen können.
Ein klassisches Tramper-Problem, gewissermaßen...
Genau. Und eigentlich geht es darum, wie die eine Person versucht, auf diesen Konflikt nicht
einzugehen und das Gespräch immer von dem heiklen Thema ablenken will. Als sie von
Frankreich erzählt, kommt es zum Eklat, weil der Palästinenser über Sarkozy, den
"ungarische Juden", lästert. Woran man sieht, dass das Problem längst in Europa
angekommen ist.
Sie waren schon letztes Jahr für den Förder preis nominiert.
Da ging es um die Erzählung einer Biografie, die mit ganz vielen anderen Dingen gemischt
war, durch die sich ein roter Faden zieht.
Das gab es auf geribbelte Wollpullover, deren Fadenlänge zusammengenommen der
Entfernung zwischen Bremen und Bergen-Belsen entsprach. Inwieweit ist Ihre Arbeit
politisch motiviert?
Das eine spielt immer in das andere hinein. Ich denke, wenn man sich politisch mit Themen
auseinander setzt, bekommt man auch einen Blick für Momente und Situationen, und dann
geht man anders auf Dinge zu. Und eine Situation, wie die mit den beiden Menschen im Auto,
sieht man dann vielleicht auch aus einem bestimmten Blickwinkel. Ich arbeite aber nicht von
Anfang an auf ein klares Ziel wie eine politische Frage zu.
Sie haben früher auch in Punk-Bands gespielt - hat die Kunst die Musik abgelöst?
Wir haben bei der Band auch mit Dia-Show und Performance gearbeitet und unsere
Plattencovers und Plakate selbst gestaltet. Das lief eigentlich schon damals zusammen.
Elianna Renner, 32 ist Meisterschülerin von Jean-Francois Guiton an der Hochschule für
Künste Bremen.
Bremer Förderpreis
Die Ausstellung mit den für den "dienstältesten" Förderpreis für bildende Kunst in
Deutschland nominierten Arbeiten wird heute, Samstagabend um 20 Uhr eröffnet.
Die Ausstellung ist ab Sonntag bis zum 4. April in der Städtischen Galerie im Buntentor zu
sehen.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 12 bis 18 Uhr, Sonntag 1 1 bis 18 Uhr
Tageszeitung, 27.02.2010 - Andreas Schnell
http://www.taz.de/l/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ra&dig=2010%2F02%2F27%2Fa0065&c
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